AGNUS fordert Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets „Kraichgaurand“ in der ursprünglich geplanten Größe

Landratsamt als zuständige Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörde soll die von der Stadt Bruchsal vorgenommene Halbierung der Fläche wieder rückgängig machen

Wenn man von der Autobahnausfahrt im April und Mai auf Bruchsal zufährt, sieht man es schon von weitem: ein weißes Blütenmeer der Obstbäume auf den sanften Randhügeln des Kraichgaus.

Das ist der schönste und noch am meisten intakte Rest des ehemals geschlossenen „Streuobstgürtels“ rund um Bruchsal – ein unersetzlicher Naturschatz für künftige Generationen und für die Lebensqualität von Bruchsal von entscheidender Bedeutung, nachdem der Westen von Bruchsal durch den ausufernden Flächenfraß der Ära Doll bereits komplett zerstört ist. Auch der südliche Teil des Streuobstgürtels ist durch Kleingärten, Überdüngung, fehlende Pflege und Baugebiete wie den „Weiherberg“ schon stark beeinträchtigt; von Osten her fraßen die großen Flurbereinigungen auf den Gemarkungen Heidelsheim und Helmsheim die Natur auf.

Der Norden war lange noch intakt. Die AGNUS versuchte, über Jahrzehnte die Eingriffe, die vor allem durch die große und erst vor wenigen Jahren abgeschlossene Flurbereinigung verursacht wurden, gering zu halten. Zerstörungen durch Kleingartengebiete hielten sich hier noch in Grenzen. Das Naturschutzgebiet „Rotenberg“ wurde in den 1990er Jahren ausgewiesen, leidlich gepflegt und die Biotopfläche später sogar großflächig erweitert.

Aber auch im Norden droht Unheil, zuallererst durch die B-35-Nordumgehung, die trotz aller Beteuerungen der Stadt und Behörden noch nicht vollständig gekippt ist. Ganz ärgerlich ist das geplante Baugebiet „Zaisental“, ein katastrophales Relikt der Doll-Ära, das trotz vielfacher Beteuerungen der Stadt immer noch nicht aus dem Regionalplan gestrichen wurde. Damit würde ein Kernstück des Streuobstgürtels zerstört.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion und das AGNUS-Vorstandsmitglied Jürgen Schmitt beantragten 2018 schließlich, das Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Kraichgaurand“ auf fast 200 Hektar Fläche auszuweisen (Abgrenzungsvorschlag siehe unten). Auch hier musste leider die Kernzone des potenziellen Baugebiets „Zaisental“ außen vor bleiben. Der östliche Bereich des geplanten LSG ist leider durch Flurbereinigungen und das Vordringend landwirtschaftlicher Intensiv-Fläche schon schwer beeinträchtigt, sollte aber als Puffer- und Entwicklungszone dienen. Außerdem können die Landwirte in der Fläche eines Schutzgebiets einfacher mit Extensivierungsmitteln gefördert werden.

Obwohl große Teile des Gebiets eigentlich naturschutzwürdig wären und ein echtes Naturschutzgebiet angeraten wäre, wurde „nur“ ein Landschaftsschutzgebiet, also der niedrigste Status, beantragt. Damit werden die Anlieger und Grundstücksbesitzer relativ wenig beeinträchtigt, erhalten aber im Gegenzug Zuschussoptionen.

Um die Akzeptanz des Schutzvorschlags zu erhöhen, wurde von der SPD-Fraktion bei der Stadt Bruchsal beantragt, dass diese den Antrag selber beim zuständigen Landratsamt stellen solle. Die Stadt Bruchsal und ihre Oberbürgermeisterin stimmten auch zunächst zu und sahen eine Gemeinderatsabstimmung vor.

Nun begannen aber die Verzögerungen und Schwierigkeiten. Zunächst erklärte sich die Stadtverwaltung aus „Kapazitätsgründen“ für nicht in der Lage, den Antrag fertigzustellen. Für immerhin 4 Seiten (!) einer Würdigung, kaum länger als dieser Artikel hier, benötigte man eineinhalb Jahre… In der „Würdigung“ wurden nur nur altbekannte Fakten rezitiert und waren keine Artenlisten oder Ähnliches enthalten. Dafür begann man bereits 2019, wie die Karte zeigt, ohne Not einen "Kompromissvorschlag" auszuarbeiten, der anscheinend intern entstand, wohl weil man Widerstand erwartete.

Nachdem der Antrag schließlich im Februar 2020 dem AUT (Ausschuss für Umwelt und Technik) vorgelegt worden war, erhob sich Gegenwind. Die ansässigen Landwirte fürchteten Einschränkungen durch den Schutzgebietsstatus. Außerdem fiel diese Diskussion genau in die Zeit, in der die Landwirte massiv Lobbyarbeit gegen das „Bienenschutzprogramm“ betrieben – grüne Kreuze des angeblichen Tods der Landwirte wurden aufgestellt. Die Stadt Bruchsal knickte prompt ein und halbierte freiwillig die Fläche des geplanten Schutzgebiets – ein weiteres Beispiel der Priorität weniger Landwirte über die Natur-, Umwelt- und Erholungsinteressen der gesamten Bruchsaler Bevölkerung, ganz zu schweigen von der weiterhin im Todeskampf liegenden Bruchsaler Natur. Dieser unselige Kompromiss wurde in diversen „Hinterzimmer-Sitzungen“ beschlossen.

Schließlich beschloss der Bruchsaler Gemeinderat – immerhin – den Antrag auf die „kleine Option“ mit späterer Erweiterungsmöglichkeit an das Landratsamt Karlsruhe zu stellen, was auch mittlerweile erfolgt ist.

Zuständig für die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiet ist aber nicht die Stadt Bruchsal, sondern wie oben ausgeführt das Landratsamt Karlsruhe, das jetzt den Fall übernommen hat und optimistisch ist, in rund 2 Jahren das Verfahren zum Abschluss zu bringen.

Dabei werden nicht nur die Stadt Bruchsal, sondern die anderen Fachbehörden und Naturschutzverbände angehört. Es wird – auch durch die AGNUS - zweifellos zu belegen sein, auch mit einer erweiterten Würdigung, Artenlisten und Daten, dass die ursprüngliche, „große“ Abgrenzung fachlich zwingend geboten ist. Die AGNUS und die anderen Naturschutzverbände werden sich beim Landratsamt mit allem Nachdruck dafür einsetzen.

Nach ersten Gesprächen sind wir sehr optimistisch, dass wir hier eine Reparatur der von der Stadtverwaltung Bruchsal unnötigerweise ins Spiel gebrachten Halbierung erreichen können.

Die Ausweisung des LSG ist aber leider nur der Anfang. Davon allein profitiert die Bruchsaler Natur in keinster Weise. Anschließend müssen umfangreiche Pflegeprogramme aufgestellt werden, Zuschüsse organisiert und vor allem auch bessere Kontrolle durchgeführt werden. Bis dahin sterben die Pflanzen, Insekten und Vögel genauso wie vorher… Die völlig unzureichenden Schutzmaßnahmen und Pflege der anderen Schutzgebiete auf Bruchsaler Gemarkung lässt leider nur wenig Hoffnung. Die sehr geringen Ressourcen, die in der Bruchsaler Stadtverwaltung dafür vorhanden sind, reichen hinten und vorne nicht aus.

Außerdem muss endlich das „Zaisental“ als Baugebiet gestrichen werden, wie schon von OB Doll zugesagt – man durfte diesem notorischen Naturschutzgegner aber bereits damals nichts glauben.

Die Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets ist aber immerhin schon einmal ein erfreulicher Anfang, und der SPD-Fraktion ist für die Initiative und ihre Hartnäckigkeit zu danken.

 

(25.8.2020 JSch / MHa)