Das gemeinsame Bruchsaler Aktionsprogramm für Kommunen, Behörden und alle Mitbürger
Das Insektensterben und der Verlust der Ackerwildkräuter hat für die lokale Bevölkerung dramatischere und kurzfristigere Auswirkungen als der Klimawandel. In den letzten 20 Jahren hat sich das Artensterben rasant beschleunigt.
Es drohen:
In Bayern wurden Maßnahmen beschlossen, die es in Baden-Württemberg schon seit etlichen Jahren - zumindest theoretisch - gibt. Dennoch geht auch in Baden-Württemberg das Artensterben rasant weiter.
Wenn man noch vor 30 Jahren im Sommer durch die Rheinebene fuhr, dann war die Windschutzscheibe des Autos nach spätestens 20 Kilometern voller Insektenleichen. Heute: auch nach 100 Kilometern fast nichts. Nicht nur die Bienen verschwinden, auch Schmetterlinge sind kaum noch zu sehen. Mit ihnen verschwinden die Vögel, die auf Insektennahrung angewiesen sind. Es ist also höchste Zeit für jeden Einzelnen von uns, alles in seiner Macht Stehende zu tun, diesen Prozess aufzuhalten.
Es reicht nicht aus, auf „Brüssel“ und die EU-Gesetzgebung zu zeigen. Lokale Initiativen können große Erfolge für kleines Geld bringen: in Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Landwirten und Bürgern.
Die „Saalbachaue“ auf Außengemarkung Bruchsal und das „Gewann Frankreich“ bei Waghäusel-Wiesental sind zwei hervorragende, erfolgreiche und bezahlbare Beispiele. Hier wurden „aus dem Nichts“ innerhalb von jeweils rund 20 Jahren große (200 bzw. 150 Hektar), funktionierende und artenreiche Lebensräume wieder geschaffen.
Solche Flächen brauchen wir auf jeder (Teil)Gemarkung!
Nur große Lebensräume (mindestens mehrere 10 Hektar Größe) ohne größere Verkehrsadern sind ausreichend, um ein stabiles, sich selbst erhaltendes Ökosystem zu bilden, das auch gegen Schwankungen des Klimas und der sonstigen Bedingungen unempfindlich bleibt. Alle kleineren Flächen sind nicht autark. Um das Artensterben aufzuhalten, braucht man mindestens 10 % der Gemarkungsfläche außerhalb des Waldes und der Siedlungen als zusammenhängenden, extensiven Lebensraum. Grünstreifen entlang von Straßen und Äckern reichen nicht aus, um unsere Natur zu erhalten.
Wenn Lebensräume kleiner sind, muss die Distanz zwischen ihnen gering bleiben, um den Zu- und Wegzug von Arten zu ermöglichen. Verkehrsadern sind zusätzliche Hindernisse. Die bereits ausgewiesenen Schutzgebiete reichen flächenmäßig bei weitem nicht aus! Landesweit sind das gerade einmal einzelne
Prozent.
Nachdem in den 1990er Jahren noch sehr viel „Sozialbrache“ vorhanden war, gibt es heute kaum noch extensive Äcker. Die letzten werden zur Zeit weiter intensiviert. Dadurch verschwinden Insekten und Vögel auf der Fläche. Randstreifen und Brachflächen sind oft umgepflügt oder zu oft gemäht.
Die wenigen Wiesen werden als intensive Pferdeweide genutzt oder stark gedüngt. Dadurch geht hier die Artenvielfalt dramatisch zurück. Mähwiesen werden zu früh gemäht, Blütenpflanzen sterben aus. Feuchtwiesen in der Rheinaue wandeln sich ohne Pflege oder Nutzung in artenarme Schilfröhrichte um.
Die AGNUS hat eine Broschüre mit Empfehlungen für geeignete Pflanzen in jedem Garten veröffentlicht („Bruchsaler Gartenliste“).
Diese kann man hier herunterladen oder gegen eine kleine Gebühr gedruckt kaufen.
Ihre lokalen und regionalen Gärtnereien werden sich sicherlich bemühen, diese Arten bevorzugt ins Sortiment aufzunehmen.
» Auf allen städtischen Flächen und Grundstücken: Förderung von Extensivgrünland und ökologisch ausgerichtetem Ackerbau ohne Biozide. Kurzfristige Anpassung der Pachtverträge an die neuen Gegebenheiten.
» Einrichtung eines Biotopverbundsystems aus Extensiväckern, Blühstreifen an Weg- und
Ackerrändern und Biotopgrünland zwischen konventionell bewirtschafteten Äckern.
» Straßenböschungen als ein- bis zweischürige Magerwiesenbestände mit Biotopverbundfunktion
entwickeln. Abräumen des Mähguts zur Ausmagerung.
» Insbesondere in ausgeräumter Feldflur Neuanlage und Erhalt von Feldhecken mit regelmäßigem
Auf-den-Stock-Setzen.
» Der ökologischen Funktion der Stadt- und Staatswälder die Priorität gegenüber der Holzbewirtschaftung geben. Bewirtschaftung des Bruchsaler Stadtwaldes mit 5% Bannwald, Rücknahme des Douglasienanteils sowie ein Alt- und Totholzkonzept. Übernahme der ökologischen Vorgaben des Staatsforsts auch im Stadtwald.
» Keine Pflanzung von gebietsfremden Baumarten im kommunalen Forst, Hinwirken auf das Gleiche im Staatsforst.
» Managementpläne für geschützte Flächen (Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, Naturdenkmale und Landschaftsschutzgebiete) kontrollieren und umsetzen.
» Jede Kommune soll auf jeder Teilgemarkung außerhalb des Waldes und der Siedlungen
einen neuen, großen, zusammenhängenden Lebensraum von mehreren
10 Hektar schaffen, der aus einem Gemisch von regionaltypischen Lebensräumen (z. B.
Streuobst, Blühwiesen oder extensive Äcker mit ökologischem Anbau) besteht.
» Die Kommune sichert und erhält zur Förderung der Biodiversität weitere 10 % ihrer
Gemarkungsfläche als regionaltypische Lebensräume.
» Wo immer möglich, Zusammenfassung verschiedener kleinflächiger Maßnahmen in
großen Lebensräumen.
» Erhalt und Weiterentwicklung des Streuobstgürtels um die Siedlungsbereiche
als Lebensraum und Naherholungsgebiet; Verzicht auf geplante Baugebiete in diesen
Flächen.
» Ausweisung des Landschaftsschutzgebiets Kraichgaurand beschleunigen. Hinwirken auf Ausweisung
des Naturschutzgebiets Saalbachaue.
» Verzicht bzw. klares Veto gegen gelände- und naturfressende Neubaumaßnahmen
(B 35, Querspange Kraichtal etc.) und kontinuierliche Rücknahme des Flächenverbrauchs.
» Tunnelvariante der Güterbahnstrecke Karlsruhe-Mannheim (parallel zur existierenden Trasse) statt oberirdischer Variante durch Kammerforst und Büchenauer Hardt.
» Maßvolle Verdichtung und Pflege der städtischen Freiflächen als artenreiche Blumenwiesen oder Staudenfluren. Auf mindestens 20 % aller städtischen Grünflächen kurzfristig Umbau zu artenreichen Blumenwiesen mit heimischen Pflanzen (und nicht mit fremdländischen und Zierpflanzen).
» Änderung der Satzungen für Baugebiete: Festsetzung des Verbots von Schottergärten in allen künftigen Bauplänen.
» Mehr Stadtgrün durch Pflanzung schattenspendender Bäume, Fassaden- und Dachbegrünung. Dadurch wird gleichzeitig auch das Stadtklima verbessert. Beschluss einer Baumschutzsatzung oder eines vergleichbaren Programms auf privaten und öffentlichen Flächen.
» Einführung von ökologisch geeigneten Rahmenvereinbarungen für Streuobst- und Kleingartengebiete auf städtischem Grund.
» Tatsächliche, wert- oder flächenäquivalente Ausgleichsmaßnahmen für
notwendige Eingriffe. Erstellung einer langfristigen Konzeption für ökologisch nachhaltige
Ausgleichsmaßnahmen.
» Aufstockung der Stellen für kommunale SachbearbeiterInnen im Natur- und Artenschutz in-
klusive einer Stelle zur Kontrolle der Naturschutzbestimmungen in der Feldflur.
Das alles kostet Steuermittel, aber weitaus weniger als Verkehrsmaßnahmen:
Ein großer Lebensraum von 50 Hektar kostet in der Einrichtung 500.000 € (soviel wie 250 Meter Bundesstraße)
und im Unterhalt 50.000 € jährlich, also ebenfalls soviel wie dieses kleine Straßenstück!
Er sichert die Zukunft unserer Flora und Fauna für unsere Kinder und rettet die Heimat!
Vorschläge, wie Sie sich effizient einbringen können, erhalten Sie bei Ihren lokalen Naturschutzvereinen.
Wir haben viele Vorschläge für unsere Helfer!
V.i.S.d.P.: AGNUS e.V. Bruchsal