Stellungnahme der anerkannten Naturschutzverbände zum Scoping-Termin B 35 Nordumgehung Bruchsal

 

Zur Notwendigkeit des vorliegenden Straßenbauverfahrens

Auch wenn es im vorliegenden Termin nur um den Umfang des Scoping-Verfahrens geht, geben die anerkannten Naturschutzverbände zu den Akten, dass die aufgeführte Notwendigkeit der Trasse und das angeführte „sehr gute Kosten-Nutzen-Verhältnis“ bezweifelt werden. Sie werden in der Einleitung zum Scoping-Termin (Kapitel 1) als Fakt dargestellt und nicht hinreichend begründet.

Insbesondere für die beiden Varianten 1a und 1b gilt: Durch diese Varianten wird zusätzlicher Verkehr in den Großraum Bruchsal angezogen und der spätere Ausbau zu einer Autobahn A 80 Bruchsal – Vaihingen – Stuttgart ermöglichst. Dagegen wird der Verkehr auf bestehender Trasse in Bruchsal nicht wesentlich verringert (im wesentlichen bedingt durch Ziel- und Quellverkehr) und führt zu keiner Entlastung der Anwohner. Dies wurde bereits in den 1990er Jahren beim damaligen ersten Planfeststellungsverfahren durch Gutachten hinreichend belegt.

  • Da es für die Bruchsaler Einwohner also keinen wesentlichen Nutzen, sondern im Wesentlichen Nachteile gibt, kann es auch keinen positiven Kosten-Nutzen-Effekt geben. Die Grundlagen des Verfahrens für die Varianten 1a und 1b sind hiermit rechtlich angreifbar, unbelegt und fragwürdig.
  • Die Naturschutzverbände fordern, bereits aus diesen offensichtlichen Gründen das Gesamtverfahren auf die Varianten 2a und 2b zu reduzieren. Kosten für umfangreiche Umweltgutachten zum Scoping-Termin wären einsparbar.

Für den Ausbau auf bestehender Trasse (Varianten 2a und 2b) ist dagegen ein erheblicher Nutzen für die Bruchsaler Anwohner und für die Verkehrssituation evident. Der zitierte Kosten-Nutzen-Effekt kann allenfalls für diese beiden Varianten 2a und 2b zum Tragen kommen. Dies wird auch durch die Verkehrsgutachten, die von der Stadt Bruchsal in Auftrag gegeben wurde, gestützt.

Zum Umfang des Scoping-Verfahrens

2.1 Aktualität der Unterlagen

Ein Großteil der laut Vorlage benutzten Unterlagen, Erhebungen und Gutachten sind mittlerweile ca. 20 Jahre alt oder älter, insofern fragwürdig. Die Bedeutung des von der Variante 1a und 1b durchschnittenen Gebiets für den Natur- und Artenschutz ist (leider) deswegen angestiegen, weil das Artensterben in den umliegenden, noch wesentlich intensiver genutzten und beeinträchtigten Gebieten schneller fortschreitet als im vergleichsweise wenig belasteten Untersuchungsraum.

Es ist allerdings unzweifelhaft, dass auch im Untersuchungsraum das Artensterben fortschreitet. Etliche Flächen werden landwirtschaftlich viel stärker als früher genutzt.

  • Dennoch ist das Artensterben hier langsamer als im Umfeld, und die Bedeutung des Untersuchungsraums für Variante 1a und 1b deutlich erhöht. Dazu kommen großflächige Naturschutzmaßnahmen im Bereich „Rotenberg“ und „Jagdhütte“ durch die Stadt Bruchsal und im Zuge der Flurbereinigung, die die Bedeutung der Gebiete wesentlich erhöht haben.
  • Die Naturschutzverbände fordern deswegen, Unterlagen und Gutachten, die älter als ca. 10 Jahre sind, als überholt zu klassifizieren und die Daten neu zu erheben.

Berücksichtigung des geplanten Landschaftsschutzgebiets „Kraichgaurand“

Die Bedeutung des so genannten „Streuobstgürtels“ im Nordosten von Bruchsal ist in der Zwischenzeit eher noch angestiegen, insbesondere in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen (Intensiv-Landwirtschaft, Artensterben, Klimawandel). Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass der Gemeinderat der Stadt Bruchsal im Frühjahr 2020 die Ausweisung eines neuen Landschaftsschutzgebiets „Kraichgaurand“ forderte, das einen Großteil der geplanten Varianten 1a und 1b tangiert oder überdeckt. Das Landratsamt Karlsruhe hat dies wohlwollend zur Kenntnis genommen und hat ein solches Verfahren bereits eingeleitet.

  • Die Naturschutzverbände fordern deswegen, das geplante Landschaftsschutzgebiet „Kraichgaurand“ bereits im vorliegenden Verfahren als ausgewiesen zu berücksichtigen und gegen die Varianten 1a und 1b abzuwägen.

Berücksichtigung von Folgeschäden

Im geplanten Scoping-Termin wird „nur“ die eigentliche B-35-Nordumgehung berücksichtigt. Beim Bau einer Nordumgehung würden aber zwei weitere Konsequenzen zu befürchten sein:

  • Der Bau einer „Querspange“ nach Kraichtal mit Zerschneidung eines höchst bedeutenden FFH- und Landschaftsschutzgebiets (Streuobstgürtel von Unteröwisheim)
  • Der Ausbau der Trasse der B 35 zu einer 4spurigen Autobahn „A 80“.
  • Die Naturschutzverbände fordern deswegen, diese für den Natur- und Umweltschutz höchst problematischen Folgeereignisse bereits jetzt in die Bilanzierung der Eingriffe im Scoping-Termin mit aufzunehmen, zumindest als Option.

Zusammenfassung

Die Naturschutzverbände erkennen die Notwendigkeit einer Entlastung der Anwohner Bruchsals durch Ausbau der bestehenden B 35 an.

Der Neubau durch eine „Nordumgehung“ (Varianten 1a und 1b) bietet nur Nachteile:

  • Zerschneidung eines der letzten großflächigen Naturräume rund um Bruchsal
  • Umfangreiche Eingriffe in Natur und Landschaft
  • Unwesentliche Entlastung der Anwohner in Bruchsal (relativ geringe Reduktion des Verkehrs), gleichzeitig dann keine Finanzierungsmöglichkeit eines Schallschutzes für die bestehende Trasse
  • Starke Erhöhung des überregionalen Verkehrs, Wahrscheinlichkeit eines 4spurigen Ausbaus einer „A 80“.
  • Wahrscheinlichkeit einer „Querspange“ nach Kraichtal mit entsprechenden zusätzlichen negativen Effekten
  • Stark negativer Kosten-Nutzen-Faktor (wie durch Gutachten zu belegen).

Der Ausbau auf bestehender Trasse (Varianten 2a und insbesondere 2b) hätte dagegen große Vorteile, die auch ohne Scoping-Termin offensichtlich sind:

  • Positiver Kosten-Nutzen-Faktor
  • Kaum Eingriffe in Natur und Landschaft
  • Keine ökologischen Folgeschäden
  • Starke Reduktion der Anwohnerbelastung
  • Effizienter Ausbau der B 35 zu einer leistungsfähigen Bundesstraße, aber ohne „Autobahn-Option“.

Aus Sicht der Naturschutzverbände ist daher die Variante 2b als Ergebnis der Abwägung derart offensichtlich, dass sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Scoping-Termins stellt. Es wird daher gefordert, die Varianten 1a und 1b – im Einklang mit der Stellungnahme des Bruchsaler Gemeinderats und der Stadtverwaltung – bereits jetzt zu streichen. Hiermit würde auch eine Beschleunigung des Verfahrens erreicht.

Verfasser: AGNUS Bruchsal e. V. (i. V. Dr. Michael Hassler, Jürgen Schmitt)