Studium Generale "Biodiversität" WS 2021/2022

Biodiversität ist ein globales, diverses Fachgebiet mit sehr unterschiedlichen Themenstellungen und lokalen Lösungsansetze. Mit der CBD Rio im Jahr 1992 bekam es eine internationale Plattform und eine Transparenz zum Nutzen unterschiedlichen Gruppierungen. Sie macht uns deutlich, wie fragil das biologische System ist, das selbst unter dem Begriff Evolution im Wandel ist. Viele Menschen leben direkt in und von diesem System. Änderungen in Flora und Fauna können deren wirtschaftliche Auskommen beeinflussen bis dahin, wo es deren biologische Existenz bedroht bzw. vernichtet.

Die Universitäten Hohenheim und Freiburg, die Hochschule Nürtingen und das Naturkundemuseum Stuttgart haben mit Unterstützung des MLR diese Vorträge gestaltet und somit ein Bild der Biodiversität zusammengestellt. Es ist eins von vielen möglichen Bildern.

1. Was umfasst Biodiversität?

Im ersten Beitrag (Alexandra-Maria Klein, Freiburg) wird das System Biodiversität beschrieben und anhand von einzelnen Beispielen, die innere wie auch äußere Wechselwirkung verdeutlicht. Das wahrgenommen Insektensterben wird in einem wissenschaftlichen Rahmen gesetzt. Ursachen und Folgen werden beschrieben. Unter dem Aspekt der Zerschneidung und Versiegelung wird Biotopgröße und das Überleben von Populationen in einem Zusammenhang gebracht. Gemeinschaften (Biozönosen) von Populationen, die sich gegenseitig, zum Vorteil von dritten Nutznießer, unterstützen, vorgestellt.

2. Viel Wissen und Modelldenken, aber keine Vorwärtsbewegung: Biotopverbund

Der zweite Vortrag (Eckhard Jedicke) beleuchtet das Thema Biotopverbund im Kontext von Biodiversität und Klimaschutz. Er beschreibt Ziele und Anforderungen, jedoch auch Hürden und Ineffizienz. Ab Minute 35 wird es interessant, da er sich speziell die Politik widmet und dort die Schwachstellen einer Umsetzung mit vorgegebenen Zeitrahmen analysiert und Verbesserungsvorschläge beschreibt. Aktuell (Juni 2022) führt das UM eine Befragung zur Umsetzung des Biotopverbundes durch. Man kann der Meinung sein, dass der Vortrag (Okt 2021) die Fragen beantwortet, die erst später in der Umfrage gestellt werden. Da Herr Jedicke auch Lösungskonzepte angibt, stellt sich die Frage, ob die UM-Umfrage andere Antworten erhalten kann.

3. Alternativen zum Biotopverbund: Seitenstreifen der Straßenverbindungen und Gleiskörper

Im dritten Vortrag (Andreas Zehm) werden das Straßenbankett und die Seitenstreifen der Verkehrsverbindungen im Kontext der Biodiversität besprochen. Diese Flächen sind groß und bieten das Potenzial Verbindungskorridore im Biotopverbund zu bilden. Damit das Potenzial genutzt werden kann, muss das Management und die Pflege umgestellt werden, damit Generalisten und Neophyten nicht zu den Nutznießer werden. Viele Beispiele werden unterbreitet. Direkter Adressat der Nachrichten sind auf kommunaler Ebene die Bauhöfe bis auf Bundesebene die Autobahnmeistereien und das Liegenschaftsmanagement der Bahn. Die Umgestaltung kostet mehr (Arbeitszeit, Mahdstrategien, Verwertungsalternativen und Prozessdenken) und kann somit auf kommunaler Ebene zu Blockaden führen.

4. Biodiversität und Naturschutz in der Landwirtschaft: Systemumbruch mit Herausforderungen

Unterm Titel "Landwirtschaft – Chancen und Hemmnisse"(4. Vortrag von Maria Müller-Lindenlauf und Markus Röhl) werden die Bestrebung der Landwirtschaft und die Errungenschaften des Naturschutzes im Offenland dargestellt. Die Veränderungen der Landwirtschaft über die letzten 70 Jahren (größere Betriebe, weniger Landwirte), bei gestiegen Löhnen und Kosten, unter gleichbleibenden Bruttoerträgen kann nur durch Effizienz ausgeglichen werden. Es werden mehrere Forschungen diskutiert und Modellversuche präsentiert. Jedoch bestimmt der Spruch „Biodiversität ist für die ökologische Landwirtschaft ein wirtschaftliches Problem“ die Rahmenbedingungen. Markus Röhl beschreibt die Errungenschaften des Naturschutzes ebenfalls aus einem Rückblick. Er zeigt den Spagat zwischen Wunschvorstellungen (wie es womöglich mal ausgesehen haben könnte) und steten Veränderungen durch die Gesellschaft (Wachstum Bevölkerung und Wirtschaft). Dadurch hat der Naturschutz eher als Bremse anstatt als zukunftsorientierter Partner des Landwirts gewirkt. Förderungen werden als Kompensation anstatt als Anreiz beschrieben. Gegenbeispiele zeigen eine besondere Dynamik. Obwohl das Neue sich in der Marge bewegt (Wirtschaftlichkeitsrahmen und es skaliert nicht mit der Fläche), beschreibt der Vortrag die Atmosphäre des „dualen Problems“ gut. Aus reflektorische Sicht liefert die anschließende Diskussion eine große Menge an Ideen und Gedanken. Sie illustriert das aktuelle Problem des Regelwerks (Wegweiser oder Kontrolle).

5. Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln: ein Blick in die Schweiz

Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist das Thema des 5. Vortrags (Robert Finger). Die Schweiz ist kein Mitglied der EU, ist aber vollends von EU-Mitgliedern umgeben. Sie hat mit Volksbegehren eine direkte Interaktion zwischen Bürgern und Parlament. Forschungsberichte zum Einfluss von Pflanzenschutzmitteln auf Menschen und Umwelt geben (weltweit) ausreichend Anlass über die Zielsetzung dieses Vortrages ernsthaft Gedanken zu machen. Durch die Initiierung und Vorbereitung zweier Volksbegehren wurden Meinungsbild und Unterstützung bei Landwirten, Industrie und Konsumenten zum Positiven verändert. Beim Weizen kann fast komplett auf Fungiziden verzichtet werden. Speziell beim Weinanbau sind die Veränderungen (pilzresistente Rebsorten im Direktvertrieb) beachtlich. Durch Förderung (CH ist nicht in der GAP) und Besteuerung kann die Schweiz momentan anders und schneller reagieren und bildet somit einen Vorläuferstatus. Gleiches gilt für die Bewusstseinsbildung. Ein Schwerpunkt im Vortrag, wie in der Diskussion, war die Justierung des Einsatzes im Abgleich zum Risiko für Mensch und Umfeld (IT-basierte Erfassung von der Ausbringung).  

6. Naturschutz im Wald: Bewirtschaftung ausgerichtet an FFH

Im 6. Vortrag wird das integrative Erhaltungsmanagement im Wald erläutert (Andreas Schabel). Schwerpunkt ist die Waldbewirtschaftung im Kontext von Natura 2000 abgestimmt mit dem Naturschutzanforderungen. Über die Natura 2000 Richtlinien für den Staatswald hat ForstBW sich als Naturschützer des Waldes positioniert, der dabei seine eigene Naturschutzbehörde ist. Über Beratung angelehnt sind die private bzw. der kommunale Waldbesitzer. Die Diskussion umfasst vielmals die Zielkonflikte im Wald/der Bewirtschaftung/der Zuständigkeiten und synchronisiert sich mit dem Vortrag.

7. Einflüssen des Klimawandels auf die Biodiversität und unsere abgeleitete Aufgaben

Biodiversität im Klimawandel – Was ist zu tun? ist das Thema des 7. Vortrags (Christina van Haaren). Aus ihrem sehr umfangreichen und diversen Forschungsportfolio hat die Referentin Klimawandel als zentraler Anker genutzt und nach zwei Aspekten spezialisiert: Klimaanpassungen und Klimaschutz; dargestellt unter den Rahmen 1. Auswirkungen von Klimawandel auf Biodiversität (z.B. Umgang mit der knappen Ressourcen Wasser, Schutz und Rettung der wasserabhängige Biotope), 2. Entwicklung der erneuerbaren Energien ohne Auswirkungen auf Biodiversität, 3. Transparenz in der Legitimation, Kommunikation des Handlungsbedarfs EE in Skalierung auf lokale Ebene, Definition der Verantwortung auf lokale Ebene. Beeindruckend ist die Forschung zum Wasserhaushalt der Donauauen und die daraus folgende Aufgabe der Wasserzurückhaltung (Regenperiode) zum Nutzen in der Wachstumsperiode (Trockenperiode) unter dem Bezugsrecht der Entnahme. Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fruchtfolgen haben eine entscheidende Rolle zur Sicherstellung der Ressource Wasser für den Erhalt der Biodiversität. Im zweiten Teil wird die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Abhängigkeit von lokalen Gegebenheiten und Parametern dargestellt. Dabei ist die pauschale 2% Zielsetzung ein Konflikt zwischen Land und Metropolen, wie auch die Ausprägung der Biodiversität und der Windhöfigkeit nicht homogen über Deutschland verteilt ist. Die Energieerzeugung wird somit zum lokalen Wirtschaftsfaktor. Die Verpflichtung darf nicht weggeschoben werden („nicht vor meiner Haustür“). Transparenz, Mitnahme der Bürger in den Entscheidungsprozessen und die daraus resultierende Festlegung der lokalen Verantwortlichkeiten ist Hauptaufgabe der (sozialen) Kommunikation.

8. Wie beeinflussen Maßnahmen im Wald die Biodiversität?

Im 8. Vortrag unter dem Titel: Hände weg?“ – Instrumente der Biodiversitätsförderung im Wald (Veronika Braunisch) wird gefragt nach dem Wirkungsgrad der Maßnahmen im Wald (inkl. Prozessschutz = „Hände weg“). Der Wald wird nach Nutzungstypen (Junger Wald mit Auflichtung; Naturnahe Bewirtschaftung mit Alt-und Totholz; Bannwälder/Reservaten/Prozessschutzflächen) unterschieden. Muss aktiv eingegriffen werden oder ist Prozessschutz angesagt? Beim Prozessschutz gibt’s u.a. die Frage nach einem Optimum zwischen der Menge an Totholz und Biomasse/Artenvielfalt. Während der Phase der naturnahen Bewirtschaftung wird die Rolle des Habitatbaums bei der Bildung von Mikrohabitate und dessen Auswirkung in der Biodiversität nachgegangen. Bei der Auflichtung/Freiflächen steht der Schutz des Auerhuhns im Fokus, nur wird betont, dass das Auerhuhn nicht der einzige Indikator ist. Aus aktuellem Anlass werden die Auswirkungen des Eingriffs (Management) mit Störungen (Windbruch/Dürre) verglichen. Dieser Vortrag setzt den Inhalt des 6. Beitrages voraus.

9. Zuerst Messen, dann Planen; Korrekturen durchführen setzt das Verstehen von Veränderungen voraus

Biodiversitätsmonitoring – Grundlage für die ökologische Forschung und den Schutz der Artenvielfaltist das Thema des 9. Vortrags (Kirsten Reichel-Jung). Monitoring (Messen, Interpretieren, Korrelieren, Zeitreihen, etc.) gehört zur Methodik Veränderung in einem Kontext darzustellen. In einer Komplexität „Biodiversität“ ist Monitoring essenziell wichtig. Es werden Beispiele aus der Fledermausforschung erläutert, die moderne Technologie nutzt, um in neuen Umgebungen zu messen bzw. Verhalten quantitativ zu beschreiben.

Aussicht

Die Vorträge 10 bis 13 werden demnächst beschrieben.

PC 28.08.2022